inner game-Reihe Teil 5: Meisterschaft

Für einen kurzen Moment scheint die Zeit still zu stehen. Der Boden rutscht unter deinen Füßen weg. Gekündigt. Als Geschäftsführer. Mit Mitte 50. Und schon geht die Gedankenspirale los: Was mach ich jetzt? Finde ich in meinem Alter eine adäquate Stelle? Wie gehe ich mit den geringeren Einnahmen um? Wie soll ich jetzt das Studium der Kinder bezahlen? Und noch schlimmer: Was sagen die anderen? Wie stehe ich nun da? Wer bin ich jetzt noch?

Zugegebenermaßen sind das keine optimalen äußeren Umstände. Genauso wenig wie eine Trennung des Partners, eine Insolvenz, eine Krankheit o.ä. Und in solchen Momenten helfen auch keine gut gemeinten Ratschläge oder Kommentare im Sinne von „Think Positive“.

Das Problem ist, dass wir glauben, wir müssten die äußeren Umstände verändern, damit alles wieder gut wird. Und so tun wir alles Mögliche, um das Außen zu verändern: neuer Job, neuer Ehepartner, neue Wohnung, neues Aussehen. Aber das ist ja manchmal gar nicht so einfach!

Stell dir vor, du könntest eine andere Sicht auf die Dinge entwickeln, so dass das, worunter du zu leiden scheinst, gar nicht mehr das Problem ist. Und wie wäre es, wenn sich dadurch ganz neue Optionen ergeben würden? Das ist es, was ich ‚Meisterschaft’ nenne.

Wie das geht? Lies hier die 5 Schritte, die dein Leben dramatisch verändern werden.

Tim Gallway bringt es am Beispiel Skifahren in seinem Buch „Inner game Ski“ auf den Punkt: „Gut Skifahren bedeutet nicht automatisch gute Erfahrungen zu machen, und schlecht Skifahren bedeutet ebenso wenig, schlechte Erfahrungen zu machen. Die Fähigkeit des Skifahrers, das anzunehmen, was in diesem Moment passiert, macht den Unterschied. Wenn Sie das verstehen, haben Sie die wahre Essenz von Inner Game Ski verstanden.“

Ob wir „Gutes“ oder „Schlechtes“ erfahren, hängt weniger von den äußeren Umständen ab, als von unserem inneren Gemütszustand. Der nämlich ist zuständig für die Bewertung der Umstände, ob etwas gut oder schlecht, richtig oder falsch ist. Das ist unsere subjektive Wahrnehmung. Wie wäre es, wenn du dich von dieser Bewertung frei machen könntest?

Es ist einzig eine Einstellungsfrage. Der ‚Meister’ hält sich an 5 Punkte:

  1. Du wirst zu einem interessierten Beobachter deiner selbst

Der ‚Meister’ sagt: „Wow, das ist ja interessant, was mir da gerade passiert. Das fühlt sich überhaupt gar nicht gut an. Was ist das? Aha, ich nehme das Gefühl wahr, ungerecht behandelt zu werden, nicht gut genug zu sein, verletzt zu sein, Angst zu haben. Angst wovor eigentlich? Angst vor der finanziellen Not, Angst zu scheitern, Angst, die Anerkennung zu verlieren…“

Und so kannst du in dir ganz neue Welten entdecken, die dir bis dahin vielleicht nie aufgefallen waren, die aber immer schon in dir vorhanden waren und jetzt nur ausgelöst wurden. (Verursacht wurden diese Gefühle immer in den ersten 6 Lebensjahren. Die Gegenwart ist nur Auslöser, nicht Verursacher.)

So bietet dir jede Krise die Gelegenheit, dich neu zu entdecken – wenn du nicht vor dir selbst davon rennst, was zunächst deutlich angenehmer zu sein scheint.

 

  1. Das Leben ist ein Trainingscamp

Krisen rufen nach Veränderungen in deinem Leben. Leider müssen wir häufig erst aus der Bahn, der eingefahrenen Spur geworfen werden, um zur Besinnung zu kommen und das Wahre zu erkennen. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Veränderung der äußeren Faktoren. Die bedeutenden Veränderungen geschehen, wenn wir an unseren inneren Umständen arbeiten. Du kannst also jede Krise begrüßen als neue und spannende Chance, dein Selbst kennen zu lernen, selbst-bewusst zu werden. Ein Sportler setzt sich immer höhere Hürden im Training, um voran zu kommen. Und auch wenn das Training dann kein Ponyhof ist, will er es so und es macht ihm sogar trotzdem Spaß!

 

  1. Glücklich sein heißt lebendig sein

Unter glücklich sein verstehen wir meistens, den ewigen Smiley im Gesicht zu haben. Wenn aber glücklich sein heißt, lebendig zu sein, dann wollen wir die gesamte Gefühlspalette des Lebens wahrnehmen können. Traurig und fröhlich, ernst und lustig, kalt und warm, hell und dunkel. Die Polarität gehört zum Leben zwingend dazu. Sie macht es lebendig und uns damit glücklich.

 

  1. Frei werden von den Umständen

Die eigentliche Kunst und Übung besteht darin, frei zu werden von den Umständen. Das heißt weder den Umständen noch anderen Menschen die Macht über dich und dein Wohlbefinden zu geben. Das ist Meisterschaft. „Der lange Weg zur Freiheit“ – so heißt eine Biographie über Nelson Mandela. Er konnte sich am Ende innerlich frei fühlen, obwohl er äußerlich gefangen war. Nur wenige Ausnahmepersönlichkeiten hätten diese Übung wohl so gemeistert, wie es Nelson Mandela trotz 27 Jahren Gefängnis geschafft hat. Oder gerade deswegen?

Nelson Mandela hat sich in seiner Haft lange mit dem Gedicht Invictus (Unbezwungen) beschäftigt. Und so wird in dem gleichnamigen Film über ihn am Ende der letzte Vers daraus zitiert:

„Ich bin der Meister meines Los’.
Ich bin der Käpt’n meiner Seel.“

Wenn du einem anderen Menschen oder einer Situation die Schuld gibst, ist er/sie Täter und du damit Opfer. Als Opfer bist du macht-los, ausgeliefert, unfrei und zur Passivität verdammt. Hol dir deine Macht zurück, in dem du aus dem Täter-Opfer-Verhalten aussteigst. Übernimm die Verantwortung für deine Gefühle.

 

  1. Vertraue darauf, dass das Leben dich führen will, wenn du dich führen lässt.

Vielleicht sagst du, „Ja, das mag ja alles sein, trotzdem habe ich jetzt das Problem, einen neuen Job zu finden, meine Kosten zu bezahlen etc.“ Das erstaunliche ist, dass, wenn du dich in dieser Einstellung übst und vor allem den ersten Punkt beherzigst, passieren Zeichen und Wunder. Es eröffnen sich dir ganz neue Möglichkeiten und Perspektiven.

Ist das einfach? Nein. Aber nicht langweilig. Kein Stillstand, sondern Wachstum.

Es war einmal vor langer Zeit ein armer Bauer, der nichts hatte als eine prachtvolle Stute. Die anderen Bauern im Dorf bedrängten ihn deswegen stets und sagten: „Warum verkaufst du deine Stute nicht? Dann hast du wenigstens Geld zum Leben.“ Der Bauer aber antwortete nur: „Niemand weiß, was falsch und richtig ist.“ Einige Zeit später in einer hellen Mondnacht lief die Stute auf und davon und ward viele Tage nicht mehr gesehen. Die Leute im Dorf bedauerten den Bauern und sagten: „Was für ein Unglück. Nun hast du weder Geld noch Pferd.“ Doch der Bauer antwortete wieder nur: „Niemand weiß, was falsch und richtig ist.“ Ein paar Tage darauf kam die Stute zurück, gefolgt von drei Hengsten. „Was für ein Glück du hast. Jetzt gehören dir vier Pferde. Und wieder gab der Bauer nur zur Antwort: „Seht, niemand weiß, was falsch und richtig ist.“

Die Zeit verging. Der einzige Sohn des Bauern ritt gern auf den Tieren, und die anderen rieten den Bauern: „Lass ihn nicht so weit reiten, er könnte sich im Gelände verletzen.“ Da der Sohn abends noch nicht zurück war, suchte man den Jungen und fand ihn schließlich im Wald. Er hatte sich bei einem Sturz beide Beine gebrochen. Die Leute im Dorf sagten: „Was für ein Unglück du hast.“ Doch der Bauer antwortet nichts als: „Niemand weiß, was falsch und richtig ist.“ Die Armee zog durchs Land und rekrutierte alle jungen Männer. Nur den Jungen mit den gebrochenen Beinen konnten sie für den Kriegsdienst nicht gebrauchen. Da sagten die anderen Bauern neidvoll: „Was für ein Glück du hast. Dein Sohn wird nicht im Feld sterben.“ Und wieder antwortete der Bauer nichts als: „Seht, niemand weiß, was falsch und richtig ist.“